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Reiten ist ein Denksport – Lob, statt grob!

Wer reitet hält sich fit, denn Reiten ist Sport und erfordert ein gewisses Maß an Fitness von Mensch und Tier. Man sitzt nicht nur auf dem Pferd und lässt sich durch die Gegend tragen – nein, man muss wirklich etwas tun. Vor allem benötigt man zum Reiten eine gute Körperbeherrschung und genau das ist es, was uns besonders zu Beginn des Reiten-Lernens anstrengt. Der Mensch muss lernen sich und seinen Körper genau zu kontrollieren, einzelne Gliedmaßen und Muskeln zu koordinieren und dabei auch noch in der Bewegung des Pferdes sitzen. Das ist das anstrengende beim Reiten. Doch leider sieht man auch sehr oft grobe Reiter, die jedes Mal nach dem Ritt schweißgebadet den Pferderücken verlassen und der Meinung sind, heute hätten sie „hart trainiert“.

Sorry, das ist für mich kein Training, denn das ähnelt Kraftsport. Es wird am Zügel gezogen, mit den Beinen gekickt und gepresst, mit dem Kreuz gegen die Bewegung gesessen und in den schlimmsten Fällen pure Gewalt angewendet, um das Tier zu einer Leistung zu zwingen. Das hat meiner Meinung nach nichts mit Reiten zu tun, es ist einfach nur Reiten über Kraft. Man bekommt das Gefühl, dass diese Reiter weder das Reiten an sich noch Pferde mögen. Ich frage mich deshalb oft, sind sich diese Menschen bewusst, was in einem Pferd vor sich geht? Wissen diese Menschen, dass auch Pferde Gefühle haben? Pferde leben im Hier und Jetzt und sie kennen kein richtig oder falsch, sie tun etwas ohne vorher Pläne zu schmieden. Pferde sind Fluchttiere, deshalb vermeiden sie Druck – physisch und psychisch – und wollen diesem in Gefahrensituationen entkommen. Wird unerwünschtes Verhalten gewaltsam bestraft, lernt das Pferd nur zu flüchten und sieht dahinter keinen Sinn. In von Angst geprägten Situationen lernen Pferde nichts, ihr innerer Motor zum selbständigen Lernen wird blockiert und der Fluchtinstinkt überdeckt alles. Bestrafung durch Gewalt macht deshalb keinen Sinn, sie lässt Pferde abstumpfen und verringert die Motivation zu lernen. Und genau das ist es, was gute Reiter ausmacht, sie denken darüber nach, was in einem Pferd vorgeht. Zeigt mein Pferd unerwünschtes Verhalten ignoriere ich dies, wohingegen gewünschtes Verhalten sofort (innerhalb von 0-3 Sekunden) belohnt wird. Belohnung durch Berührung, Druck nachlassen und auch Futter verstehen Pferde viel schneller als jegliche Bestrafung durch Gewalt. Das Lernverhalten eines Pferdes basiert auf einem einfachen Kosten-Nutzen-Prinzip, wenn der Mensch das verstanden hat, werden sich schnell Lernerfolge einstellen. Meine Devise:

Lob, statt grob!

Loben bedeutet nicht, dass man dem Pferd alles durchgehen lassen soll, vielmehr muss der Mensch erkennen was erwünscht ist und was nicht und dies konsequent im täglichen Umgang durchsetzen. Mit diesem Wissen und einem Plan im Kopf erreicht man schneller Ziele als durch Gewalt und Kraft. Reiten ist für die meisten Menschen der Ausgleich vom Alltag und soll uns Entspannung bringen. Sobald wir unseren Körper einigermaßen unter Selbstkontrolle gebracht haben – was besonders für Späteinsteiger eine große Herausforderung darstellt – sollten wir auch den Kopf einschalten und neben dem Training an uns, auf das Lernverhalten unserer Vierbeiner eingehen. Gutes Reiten ist eine Kunst und hat sehr viel mit Intellekt zu tun, Kraft ist nebensächlich und sollte so gezielt wie möglich verwendet werden. Gute Reiter, ganz egal welcher Reitweise, können ihre Pferde ohne große, sichtbare Hilfengebung reiten. Das Ziel war und ist es schon immer eine Harmonie zwischen Pferd und Reiter herzustellen. Gewalt schafft keine Harmonie und gehört nicht in den Umgang mit Pferden.

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