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Das Pferd - vom Fortbewegungsmittel zum Freizeitgut

Das Pferd war seit Jahrhunderten, nein sogar seit Jahrtausenden, DAS Fortbewegungsmittel schlecht hin. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war das Pferd nicht wegzudenken aus dem täglichen Leben. Pferde waren ungemein wichtig und auch notwendig. Sie legten für die Menschen weite Strecken zurück, zogen schwere Landmaschinen auf dem Acker und halfen dem Mensch in der Hungersnot durch ihr Fleisch. Mensch und Pferd waren eine Einheit, sie brauchten sich. Und der Mensch wusste wie wertvoll die Kraft und Arbeit des Pferdes war, deshalb umsorgte er es, er gab ihm Futter und Wasser, stellte ihm einen Ruheplatz zur Verfügung und sorgte sich um die Gesundheit, damit sein Pferd lange gute Dienste erweisen konnte. Viele alte Berufe, wie zum Beispiel Hufschmied, Sattler und auch Tierarzt waren hoch angesehen in der Gesellschaft. Die physischen Beschaffenheiten des Pferdes wurden genaustens studiert, um zu wissen, woher bestimmte Krankheiten kommen und wie diese vermieden werden konnten. Ein Pferdetierarzt war wie heute ein Automechaniker. Er kannte das Pferd in und auswendig, er wusste um dessen Stärken und Schwächen und konnte "Wartungstipps" geben. Für mich ist es immer wieder faszinierend, welch hohen Stellenwert dem Pferd von der gesamten Gesellschaft bis ins letzte Jahrhundert zugeschrieben wurde. Heute leben wir in einer von Technik bestimmten Zeit, das Pferd ist nur noch für jene wichtig, die es sich zum "Spaß" halten. Eine Notwendigkeit in der Pferdehaltung besteht nicht mehr. Man hat ein Auto, die Bahn oder das Flugzeug um von A nach B zu kommen. Das Pferd hält man sich, um in seiner Freizeit dem stressigen Berufsleben zu entfliehen. Man reitet um zu entspannen, um in der Reithalle in einer ordentlichen Linksbiegung eine 10 Meter-Volte zu reiten oder auch um im benachbarten Waldstück ein bisschen die Natur zu genießen. Viele Pferde genießen ein All-Inclusive-Leben mit Dauer-Heu und wenig Bewegung - ein bisschen wie die rückengeplagten Menschen in Großraumbüros. Kaffee und Kekse stehen bereit, Bewegung fehlt. Pferd und Mensch haben sich gemeinsam zum "Wenig-Beweger" entwickelt, Zuckerkrankheiten bei Mensch und Pferd sind nur ein Ergebnis davon. Das Berufsleben fordert den Menschen, meist bleibt nicht viel Zeit für das Pferd, es geht die Woche über auf die Koppel und am Wochenende schafft es der Besitzer in den Stall und reitet am Sonntag 2 Stunden aus (ok, das ist jetzt ein übertriebenes Beispiel, aber durchaus wahr), am Montag bekommt er dann einen Anruf, dass das Pferd auf dem Weg zur Koppel humpelt. Wenn man nun eins und eins zusammenzählt kommt man auf das Ergebnis, dass der einmal wöchentlich stattfindende Ausritt dann wohl doch nicht so gesund war fürs Pferd.

Klar Bewegung ist wichtig für Mensch und Tier, aber zweimal in der Woche geballte 2 Stunden am Stück, ersetzen kein kontinuierliches Training. Der Körper vom Pferd muss genauso "auftrainiert" werden, wie bei uns Menschen, um einen 2 stündigen Ausritt zu verkraften. Jeden Tag 20-30 Minuten zum Beispiel leichte Longenarbeit in der Dehnungshaltung, reichen aus um wichtige Muskelgruppen des Rumpftrageapparates zu stabilisieren und das Pferd fit zu halten. Natürlich schafft es nicht jeder, jeden Tag in den Stall, aber schon alle zwei Tage helfen, das Pferd gesund zu erhalten. Es muss nicht immer Reiten sein - ganz im Gegenteil: sinnvolles Training vom Boden aus, bringt Pferde ins Gleichgewicht und stärkt Muskelpartien im Rückenbereich. Und einen tollen Nebeneffekt hat das Ganze auch noch: der Reiter muss sich bewegen und ist mehr an der frischen Luft ;)

Deshalb plädiere ich dafür, dass nicht nur der Mensch auf das Pferd sitzt und losreitet, sondern auch mal überlegt, was dem Pferd und seinem Körper gut tun könnte. Als das Pferd noch als reines Fortbewegungsmittel diente, musste man sich keine Gedanken über Bewegungsmangel machen; trotzdem wussten die Menschen viel über ihre Pferde, denn sie mussten mit ihnen zusammenleben. Pferde standen meist nicht weit entfernt vom Wohnhaus - wenn nicht sogar im direkt angeschlossenen Stalltrakt - der Mensch hatte eine enge Beziehung zum Pferd und wusste viel über dieses. Heute habe ich das Gefühl, dass zwar viele Menschen ihre Pferde sehr mögen, jedoch auch die einfachsten Bedürfnisse der Pferde "vergessen" werden. Wir leben in einer Wissensgesellschaft, Wissen ist überall verfügbar, es ist jedem zugänglich und doch nutzen diese Möglichkeit sehr wenig Menschen. Und ob wir wollen oder nicht, unser Wissen rund ums Pferd wird sich immer weiter ausbilden, wir werden noch mehr über diesen wunderbaren Tiere lernen (dürfen) und sollten diese Chance auch nutzen. Die Wissenschaft und die Möglichkeiten dieser werden besser und auch wir als Amateure sollten den Anspruch an uns haben, besser zu werden, mehr lernen zu wollen über das Pferd und auch mal statt uns einfach auf den Pferderücken zu schwingen, darüber nachzudenken, was dem Pferd alternativ gut tun könnte. In diesem Sinne Danke für das Lesen dieses Beitrags und eine gute Zeit mit Euren Pferden!

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