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Lerne zu verstehen - Warum Empathie im Pferdetraining unerlässlich ist

Ich stehe in der Halle, der Schweiß läuft mir am Rücken entlang und mein Wallach schaut mich mit großen Augen an.  Zu unserem derzeitigen Beziehungsstatus würde ich sagen: „es ist kompliziert“. Jeder kennt ihn - diesen einen Moment in dem man nicht mehr weiter weiß und sich wie ein roher Anfänger fühlt. Man hat den Punkt einer Beziehungskrise mit dem Pferd erreicht. Es herrscht ein Kommunikationsproblem. Man möchte sein Pferd am liebsten ohne Rückfahrticket auf den Mond schießen und ganz schnell ein anderes Hobby beginnen. Aber nachdem die Reise zum Mond doch noch etwas zu teuer ist, besonders für Pferde und ein anderes Hobby auch nicht wirklich in Frage kommt, entscheidet man sich dafür doch auf der Erde zu bleiben und nach Lösungen zu suchen. Und dann wird es schwierig - Denn wie bei allen Beziehungen zwischen Lebewesen kommt es also ab und an auch zu Meinungsverschiedenheiten, auch zwischen Reiter und Pferd; die Partnerschaft wird auf die Probe gestellt. Aber mal ganz ehrlich, ist es nicht auch im „echten Leben“ so, dass Meinungsverschiedenheiten ausgetragen werden müssen. Pferde müssen wohl oder übel eine Beziehung mit uns eingehen. Sie werden gekauft und haben dann auf einmal einen Partner Mensch der vermeintlich nur ihr Bestes will. Wir interpretieren in unsere Pferde Handlungen die sie absichtlich machen und projizieren unsere Gefühle auf sie - eigentlich wie in einer menschlichen Beziehung, nur dass Pferde ihre Meinung nicht wirklich kund tun können. Lösung: Versuche zu verstehen! 

Und hierbei können wir vieles von unseren Pferden und deren Beziehung zu uns lernen. Um einen Lösungsansatz mit unseren Pferden zu finden, müssen wir lernen sie zu verstehen. Wir müssen sie beobachten, um ihr Verhalten zu verstehen. Gutes Horsemanship basiert auf viel Beobachtung und auf Empathie. Ohne das Pferd und dessen Verhalten zu verstehen, können wir keine vertrauensvolle Basis schaffen. 

Und wir kommen irgendwann alle an Pferd während unserer Reitkarriere, das uns dazu bewegt nachzudenken; das uns klarmacht, dass der Umgang mit ihm viel mehr ist als eine im Lehrbuch geschriebene Trainingsmethode. Es gibt kein Geheimrezept für eine reibungslose Pferd-Mensch-Beziehung, denn es gibt 1000 verschieden Wege dies zu erreichen. Aber es gibt ein Zauberwort im Umgang: Empathie! Haben wir verstanden, wie ein Pferd fühlt/fühlen könnte, haben wir die Möglichkeit angepasst zu reagieren. 

Man setzt sich mit solchen Themen aber erstmal nicht auseinander, solange alles gut läuft… aber dann kommt dieses eine Pferd oder dieser eine Tag, an dem nichts zu klappen scheint mit diesem einen Pferd. Man ist frustriert und sucht den Fehler zuerst beim Pferd. ABER HALT! STOP! Genau hier liegt das Problem: Pferde machen keine Fehler, denn sie kennen kein richtig oder falsch; sie handeln aus ihrer Intuition heraus. Das Schlimmste was man in einer solchen Situation machen kann, wäre etwas (gewaltvoll) zu erzwingen. Denn solch ein Druck erzeugt ein ungutes Gefühl, negative Gefühle bei Pferd und Reiter werden hervorgebracht und hindern den Lernprozess, die Motivation und nicht zuletzt die Harmonie. 

Pferde versuchen uns nicht absichtlich zu verärgern. Meist kommt es zu solchen Situationen, weil sie uns schlichtweg nicht verstehen. Die Kommunikation hinkt. Weil Pferde uns nicht verstehen in solchen Momenten, liegt es an uns Verständnis für sie aufzubauen. Wir müssen versuchen uns in ihre Denkweise zu versetzen, versuchen ihr Verhalten nach zu vollziehen und ihnen dann einen positiven Weg eröffnen auf dem man zusammen weiter kommt. Krisen zwischen uns und unserem Partner Pferd sind also per se nichts schlechtes, denn sie sind sehr oft der Anfang einer Veränderung - einer Veränderung unserer Denkweise für und über unser Pferd. Wir beginnen uns mit der Psyche und der Empfindung unseres Pferdes auseinander zu setzen, um eine vertrauensvolle Basis auszubauen. 

Vertrauen und gegenseitiger Respekt sind der Schlüssel zu einer harmonischen Beziehung - nicht nur zwischen Pferd und Mensch. 

Ich beschließe die heutige Trainingseinheit ruhen zu lassen, verlasse die Halle mit meinem Wallach reite, mit ihm eine entspannte Schrittrunde um den Hof und bin doch irgendwie froh, dass wir trotz unserem derzeitigen Beziehungsstatus gemeinsam den Sonnenuntergang genießen können.

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