· 

Geduld - ein rares Gut

"Ge·duld" ist laut Duden ein Substantiv und wird beschrieben mit "ruhiges und beherrschtes Ertragen von etwas, was unangenehm ist oder sehr lange dauert" - na toll, klingt ja super denkt man sich da. Ertragen und dann auch noch unangenehm und lange dauern... könnte ja nicht besser sein so ein Thema. Aber genau in diesem Thema sollten wir doch jetzt Profis sein. Wir haben lange gewartet und ja es war unangenehm. Doch der erhoffte "Slow-Down-Effekt" blieb irgendwie aus. Wo wir am Anfang noch euphorisch in die "ruhigeren Zeiten" zu gehen schienen ist jetzt ein gefühlter Wettlauf um die Zeit geworden zu sein. Keiner hält es mehr aus, dieses Warten und es gibt nur noch ein Davor und ein hoffentlich bald Danach.  

 

Und genau hier beginnt der Fehler, denn wenn wir nur noch in der Zukunft und in der Vergangenheit mit unseren Gedanken leben, dann bleibt die Gegenwart auf der Strecke. Das Hier und Jetzt, unser Leben, unser Tun, unsere Existenz - alles wird in die Zukunft verlagert und soll aber am besten gleich geschehen. Es ist paradox und doch so simpel. Wir haben Wünsche und Vorstellungen, wie es perfekt abzulaufen hat und haben wir es erreicht, geht´s gleich weiter. 

Nicht nur gesellschaftlich sehe ich das als Problem, sondern auch im Umgang mit unseren Pferden spielt der Begriff "Geduld" eine nicht unbedeutende Rolle. Leisten und Abliefern. Abliefern aber auch am besten nur gut und nicht durchschnittlich. Und so wie wir uns selbst zum "Renner" erziehen, übertragen wir das auch auf unsere vierbeinigen Spiegelbilder - die Pferde. 

 

In immer kürzerer Zeit muss ein "Mehr" erreicht werden und die Ansprüche wachsen. Ein junges Pferd mit 4 Jahren muss stets gehorsam sein und sollte Manöver perfekt abliefern. Nach dem Motto "Du bist, was Dein Pferd schon kann", messen sich Pferdebesitzer und erzeugen somit (un-)bewusst Druck auf Trainer, Pferde und das komplette Umfeld - denn wer vorwärts kommen will, zögert nicht und gibt Gas. Aber wie wir wissen, ist Schnelligkeit meist eben nicht der Schlüssel zum Erfolg. Und um das zu erkennen, muss das Wort Geduld weg von seiner negativen Behaftung. 

Also los gib uns Geduld - aber flott! 

Achso Halt, da war ja was... das geht ja eben nicht so flott, oder etwa doch?

 

Geduld ist das Vertrauen, das alles kommt wie es ein muss, zu richtigen Zeit.

Toll - klingt ja mega einfach. Also wenn wir wüssten, dass dann alles so kommt und wer sagt denn überhaupt wann die richtige Zeit ist? "Das sage doch ich!" schreit das Ego und quetscht sich an allen vorbei.

Ähm ja... so oder so ähnlich fühlt es sich doch an. Denn wenn ich sage, mein Pferd ist JETZT so weit, weil er ist ja schließlich schon alt genug, dann heißt daber noch lange nicht, dass das so sein muss... ja genau, denn es ist wie so vielen im Leben komplett individuell, wie schnell Pferd xy etwas erreicht oder eben auch nicht.

Unsere Ungeduld birgt besonders im Pferdetraining große Gefahren und hat im Übermaß immer Stress, Druck und Fehler im Gepäck - genau das was wir eben nicht wollen. Klingt jetzt alles sehr negativ und ja das ist es auch.

Aber nun die gute Nachricht: Geduld ist trainierbar - wie ein Muskel. Wir können also ins Training starten, um ruhiger, gelassener und beherrschter zu reagieren, wenn Pferd xy zum 10 mal nicht am gruseligen Hallentor vorbeigehen möchte. Denn besonders in unvorhersehbaren Stresssituationen hilft Geduld uns achtsamer zu agieren und lösungsorientierter zu handeln. 

 

Aber wie bekommen wir jetzt mehr Geduld? 

In dem wir uns beobachten und Situationen neu deuten. Einfach mal die Perspektive wechseln (siehe hierzu auch den Blogbeitrag Perspetivwechsel) und somit das Verhalten von Pferd xy nicht persönlich nehmen, sondern einfach mal versuchen die Situation zu verstehen und eine Empathie zu entwickeln. Vielleicht versteht das Pferd xy die Übung jetzt einfach nicht, oder vielleicht hat es ein körperliches Problem, dem auf den Grund gegangen werden sollte. Oder aber sind es ja wir, als Reiter, die in unserem Pferd Verwirrung stiften. Denn sind wir mal ganz ehrlich, wir sind auch nicht immer voll bei der Sache... wir haben auch noch Nebenschauplätze, die manchmal mehr und manchmal weniger Platz in unseren Gedanken einnehmen und das spürt das Pferd natürlich. Wir können nichts verbergen vor unseren Pferden. Auch wenn wir uns weigern und Widerstand zeigen gegen Stress ... er wird nicht weniger.

 

Wie heißt es so schön "Widerstand ist die beste Methode etwas andauern zu lassen." 

 

Und so kann es leicht zu einem andauernden Frust kommen, eine schier endlose Gedankenschleife entwickelt sich. 

Hier hilft es einfach die Situation anzunehmen, zu begrüßen und das beste daraus zu machen. Geduld ist also auch ein Annehmen von dem was ist. Es entschärft unser Ungeduld und macht es leichter. Und auch wenn es noch so banal klingt, ein Annehmen und eine Brise Gelassenheit wirken besonders im Training wahre Wunder. 

Wir kommen immer alle mal wieder im Umgang mit Pferden an den Punkt, an dem wir auf eine Geduldsprobe gestellt werden. Und wenn wir jetzt einfach mal versuchen präsent zu sein und die Situation anzunehmen, beweisen wir nich nur uns, sondern auch unserem vierbeinigen Partner, dass Geduld sich auszahlt und wir kommen vom "Ertragen" zum "Annehmen". Wenn wir Dinge annehmen und dann auch noch "das Gute" erkennen, können langfristige Ziele um einiges besser realisiert werden und der Druck wird stark minimiert. Geduld ist meiner Meinung nach - nicht nur im Umgang mit Pferden - der Schlüssel zum Erfolg und es lohnt sich definitiv diese zu trainieren, auch wenn dies nicht immer gleich gelingt. 

Geduldigsein ist also ein Miteinander und aufeinander Acht geben und genau das ist ja das Ziel im Umgang mit unseren Pferden - denn alle Dinge sind schwierig bevor sie leicht werden.  

Kommentar schreiben

Kommentare: 0