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„Frei sein“ – wie viel Freiheit geben wir unseren Pferden?

"Frei sein" – was bedeutet das in unserer Gesellschaft? Genau diese Frage habe ich mir heute gestellt, als ich auf dem Weg zu meinen Pferden war. Bin ich frei? Ja bis zu einem gewissen Maß bin ich das. Ich kann selbst entscheiden, welchen Ausbildungsweg ich wähle, ich kann entscheiden was ich in meiner Freizeit mache, kann essen was und wieviel ich möchte und was ich sehr wichtig finde, ich darf mir eine eigene Meinung bilden und diese auch äußern. Ich sollte dankbarer sein. Dankbar für meine Freiheit. In unserer Gesellschaft spielt Individualisierung und Freiheit eine große Rolle. Jeder Mensch möchte sich selbstverwirklichen, sei es im Beruf oder auch im Privaten. Freie Entscheidungen zu treffen in bestimmten Lebenslagen gehört für uns zum Alltag. Dann kam mir der Gedanke wie frei sich eigentlich unsere Pferde fühlen. Haben sie überhaupt ein Gespür für Freiheit oder sind sie schon so domestiziert vom Menschen, dass sie gar nicht mehr wissen was Freiheit ist?

Freiheit ist wohl ein sehr weiter Begriff. Ich als Mensch kann aber bis zu einem gewissen Maß bestimmen, wie viel Freiheit ich meinem Pferd gebe. Sei es im Training oder auch in Haltungsfragen. In unserer Gesellschaft ist vieles vorgegeben, wie es abzulaufen hat. Prozesse im Arbeitsleben sind manchmal stark strukturiert und teilweise nicht gerade mitarbeiterfreundlich. Jedoch können wir selbst entscheiden in welchem Maß wir uns diesem aussetzen möchten. Dabei stellte ich mir folgende Frage: Wollen wir als Arbeitskraft unter schlechten Bedingungen eine gute Leistung bringen? Bin ich in der Lage Leistung zu geben, wenn ich mich unwohl und unter Druck gesetzt fühle?

Ich jedenfalls nicht – dass es beispielsweise Regeln in einem Unternehmen gibt an die sich jeder halten muss, wie Arbeitszeiten und Fristen, das ist klar. Doch wir sind logisch denkende Individuen und  können uns darauf einstellen und falls es uns gar nicht mehr gefällt oder wir merken, dass es doch nicht die richtige Stelle ist, können wir selbst entscheiden, ob nicht doch eine Trennung vom Arbeitsverhältnis besser wäre. Das ist unsere Freiheit. Unternehmen und Firmen, welche viel Wert auf die Arbeitskraft ihrer Mitarbeiter legen, werden somit dafür sorgen, dass diese sich auch wohlfühlen. Sie werden versuchen ein angenehmes Arbeitsplatzklima zu schaffen und die Arbeitsumwelt angenehm zu gestalten.

Hier möchte ich nun einen Vergleich zu unseren Pferden ziehen. Was für uns im Berufsleben als selbstverständlich gilt, wird leider noch von vielen nicht im Bereich des Pferdesports gesehen. Fangen wir bei der Haltung an. In den letzten 20 Jahren hat sich einiges getan in diesem Bereich, immer mehr Menschen wollen für ihre Tiere eine artgerechte Haltung. Jedoch noch lange nicht alle. Menschen haben Angst, dass ihren Tieren in einer Haltung mit zu großem Auslauf etwas zustößt. Deshalb halten sie ihre Pferde in Gitterboxen, oftmals sogar ohne Fenster (damit die Mähne nicht abgescheuert wird). Die Pferde dürfen nicht auf die Koppel, da die Verletzungsgefahr zu groß ist und dürfen sich nur kontrolliert unter dem Reiter oder in einer Führanlage bewegen. Die restlichen 22 Stunden stehen sie sich die Füße in den Bauch und warten auf ihre – meist rationierten – Mahlzeiten. Wäre das Pferd hier nun Mitarbeiter, denke ich wäre dieser nicht gerade motiviert und leistungsbereit. Ist das Pferd dann unter dem Reiter verspannt und feurig, wird es sofort als schlechter Charakterzug gedeutet. Würde ich persönlich Tag ein Tag aus, nur in einem Zimmer sitzen ohne jegliche Sozialkontakte und müsste dann zu einem beliebigen Zeitpunkt eine Leistung erbringen, ich glaube ich wäre das schlimmste Pferd, das man sich vorstellen kann. Ich würde um meine Freiheit kämpfen und mich auch dementsprechend benehmen. Doch wie viele Pferde gibt es, denen es genau so ergeht?  Ich wette die Leser meines Blogs kennen bestimmt das ein oder andere Beispiel. Möchte ich also Freiheit für mich in meinem Leben, dann sollte ich auch meinem Pferd diese gewährleisten.

Täglicher Koppelgang und Heu ad libitum sollten zum Standard der Pferdehaltung im 21. Jahrhundert werden. Das Pferd sollte in einem gewissen Maß selbst entscheiden können, wohin es sich bewegt und wann es frisst. Optimal ist hier natürlich die Aktivstallhaltung. Dass jedoch nicht alle Pferde in einem Offen- oder Laufstall gehalten werden können, das ist mir klar. Trotzdem sollte dann auch für „Boxenpferde“ für ausreichend Auslauf gesorgt werden, durch ein direkt angrenzendes Paddock oder auch den täglichen Zugang zu einem Freilauf für mehrere Stunden. Auch Pferde brauchen Sozialkontakt, sie müssen Fellpflege mit ihren Artgenossen betreiben können und brauchen daneben noch das Sonnenlicht und frische Luft, um körperlich fit zu sein. Wir als Menschen müssen erkennen, dass auch Pferde freie Entscheidungen treffen wollen und versuchen ihnen soweit es in unserer Macht steht, diese zu ermöglichen. Denn nur wenn die Grundbedürfnisse wie ausreichende Bewegung und gute Fütterung gestillt sind, ist eine Basis geschaffen, welche uns eine vernünftige Zusammenarbeit mit dem Pferd ermöglicht.

Viele Verhaltensstörungen und unerwünschte Verhaltensweisen beruhen schlichtweg auf der falschen Haltungsform. Der Mensch muss erkennen, dass das Pferd mehr als nur eine Stunde Bewegung braucht. In freier Natur bewegen sich Pferde im Durchschnitt zwischen 16 und 18 Stunden – natürlich nicht im gestreckten Galopp, sondern in einer langsamen Gangart. Aber sie bewegen sich stetig vorwärts. Wie schon im vorherigen Blogeintrag beschrieben gibt es acht Funktionskreise, welche bei der Haltungsform berücksichtigt werden sollten.

Neben der Haltung muss somit auch ein faires Training beachtet werden können. Hier möchte ich meinem Pferd auch eine Freiheit geben. Freiheit bedeutet hier aber keineswegs, dass mein Pferd mit mir machen darf was es möchte. Nein, das darf es natürlich nicht – es darf die Freiheit haben, zu überlegen, zu verstehen und dadurch zu lernen. Ich kann es nicht in ein bestimmtes, fest vorgegebenes Trainingsprogramm zwingen. Wie Menschen sind Pferde selbstdenkende Individuen und sollten diese auch bleiben. Jedem Pferd sollte seine individuell benötigte Zeit zum Lernen gegeben werden. Meine Aufgabe als Mensch soll nicht darin bestehen, dass ich mein Pferd zu einer Lektion zwinge. Ich möchte, dass mein Pferd versteht was ich von ihm erwarte und dies durch positive Verstärkung, wie Lob, lernt. Ebenso darf es sich auch die Freiheit nehmen Fehler zu machen. Es muss sie sogar manchmal machen, um aus ihnen zu lernen. Ich gebe dem Pferd also eine gewisse Entscheidungsfreiheit mitzudenken und zu kombinieren. Möchte ich, dass mein Pferd respektvoll mit mir umgeht, dann muss ich ihm auch Respekt erweisen.

Die ethischen Grundsätze im Reitsport schreiben dies vor: Die Harmonie kann nur durch faires und respektvolles Training beiderseits entstehen und ist Ziel jeder Ausbildung.

Wo ich nun wieder einen Vergleich zum Arbeitsleben ziehen möchte. Habe ich einen Chef, welcher mir immer mehr und mehr Arbeit aufzwingt, Aufgaben gibt, welche mir absolut fremd sind, mich unter Druck setzt und noch dazu meine Arbeit nicht schätzt; ja diesem Chef werde ich nicht viel Achtung entgegen bringen können. Ich würde mich sträuben jeden Tag wieder an den Arbeitsplatz zu gehen und mich von meinem Chef runtermachen zu lassen. Ich würde schlimmstenfalls in eine Depression verfallen und vielleicht apathisch werden. Oder ich würde aggressiv und gereizt regieren, mein Körper würde immer mehr Anzeichen für eine Überforderung zeigen, bis ich letztendlich einen Entschluss fassen müsste, um die Arbeitsstelle zu wechseln.

Die Pferde können ihre „Arbeitsstelle“ nicht wechseln. Sie müssen bleiben oder werden im schlimmsten Fall verkauft, da sie laut Besitzer „nicht leistungsfähig“ oder „durchgeknallt“ sind. Somit bin ich also verantwortlich für ein gutes Arbeitsklima. Gelingt es mir dieses zu schaffen und mein Pferd dadurch zu motivieren, werde ich mehr Freude in der Zeit mit meinem Pferd haben.

Als ich am Stall ankam, sah ich mein Pferd auf der Koppel mit seinen „Kumpels“ stehen. Als es mich erblickte, kam es ohne zu zögern auf mich zugetrabt und begrüßte mich mit einem wachen, neugierigen Gesichtsausdruck. Und genau das ist es, was ich allen Pferdebesitzern wünsche, ein glückliches Pferd, welches Freude hat, wenn es seinen Menschen sieht und gerne mit ihm „arbeitet“.

In diesem Sinne, vielen lieben Dank für das Lesen hier und einen schönen Abend Euch!

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Kommentare: 1
  • #1

    Aaliyah (Freitag, 02 Februar 2018 21:23)

    Das stimmt ich finde es schlimm das pferde so behandelt werden ich meine hallo das sind immer noch lebewesen und man sollte denen auch Freiheit geben und ich find es nicht toll das immer mehr Pferde eingefangen werden anstatt dass man diese pferde einfach frei lässt